🇧🇪 Naturführung – Mit Erwin durch das Hohe Venn

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Naturführung – Mit Erwin durch das Hohe Venn

„Das hier ist ein alter Grenzstein, der damals Preußen und Belgien trennte“, erklärt uns Erwin Legros, mit dem wir gerade zusammen aus einem kleinen Bus ausgestiegen sind. Eine Hand voll Blogger ist mit ihm vom Treffpunkt im Naturzentrum Botrange die kurze Strecke nach Baraque Michel im Hohen Venn gefahren, um die Landschaft und die Tierwelt ein bisschen besser kennen zu lernen. Erwin, der es mit der Ansprache wallonisch direkt hält, ist Diplom Naturführer im Hohen Venn und führt uns Blogger an einem verregneten Sonntag durch das Hochmoor. Nun stehen wir an Station Nr. 1 und Erwin weiß nicht nur was über die Machart, sondern auch über die Form des Grenzsteins zu berichten – inkl. geschichtlichem Hintergrund.

Baraque MichelDer Grenzstein war nur ein kurzer Ausflug auf diesseits der Straße und so wechseln wir die Seite und erreichen nur wenige Meter weiter die Kapelle von Baraque Michel. Die Geschichte dieses kleinen Weilers von Michel Schmitz, seiner Wanderung durch das Moor und seinem Vorhaben, hier oben jedem zu helfen, folgt natürlich auf dem Fuße und eindrucksvoll macht Erwin uns vor, wie die alte Witwe Schmitz wohl damals das Leuchtfeuer in der Kapelle entzündet und stundenlang die Glocke geläutet hat, wenn der Nebel durch das Venn zog. Und wie auf Kommando prasselt ein Platzregen auf uns nieder, so dass wir Schutz unter einem Baum suchen müssen. Das Venn begrüßt uns mit dem typisch rauen Wetter.

Die Geschichten rund ums Hohe Venn

Immer wieder weiß Erwin etwas zur Geschichte der Region zu erzählen. Mit seinen 78 Jahren hat er schon viel erlebt, hat aber auch sehr viel älteren Klatsch und Tratsch aus den Ardennen auf Lager. Und wenn es um die Gesteine und Erdschichten im Venn geht, reist er hin und wieder Millionen von Jahre in der Zeit zurück, erzählt lebhaft von Bodenverschiebungen, Sedimenten und Dinosauriern.

Nach ein paar hundert Metern und einem kurzen Abriss über die Fichte, die die Preußen zu Beginn des 19. Jahrhunderts zur Aufforstung der Region nicht nur hier oben ins Hohe Venn brachten, entführt Erwin uns in das Polleur-Venn, das ganzjährig begangen werden kann. Und warum das größte Hochmoor Europas Hochmoor heißt, weiß er natürlich auch. „Das hat nichts mit der hohen Lage hier am höchsten Punkt Belgiens zu tun“, verrät er uns. „Grundlage für den Namen ist die Tatsache, dass das Moor durch die Torfablagerungen stetig in die Höhe wächst.“ Ich fühle mich ein bisschen dabei erwischt, schon so oft hier oben gewesen zu sein und doch nichts über dieses Naturphänomen zu wissen.

BlaubeersträucherAm Rande des Polleur-Venns zeigt Erwin uns Blaubeersträucher, die leider noch keine Früchte tragen, aber er weiß natürlich auch hier von der heilenden Wirkung der blauen Beere und wo diese bis heute in der Medizin eingesetzt werden. Damit es beim Pflücken der Beere nicht zu Verwechslungen mit der giftige Rauschbeere kommt, zeigt Erwin uns die Merkmale der Blaubeere. Was passiert, wenn man statt Blaubeeren doch mal Rauschbeeren pflückt, brauche ich bei diesem eindeutigen Namen wohl nicht zu erwähnen.

Der Balztanz des Birkhahns

Wenn Erwin so über die Natur, zu der er eine ganz besondere Beziehung zu haben scheint, erzählt, dann fängt er häufig an zu träumen. Das ist im besonders anzumerken, als wir an einem halbrunden Kreis aus Rasenfläche anhalten. Diesen Platz hat Erwin mit seinen Kumpanen extra angelegt, damit sein Lieblingstier hier seinen Balztanz abhalten kann: Der Birkhahn. Es muss ein wahres Naturschauspiel sein, wenn die Birkhähne hier aufeinander treffen, um um das Birkhuhn zu kämpfen und zu tanzen. Und um einen Blick für die Schönheit der rot-weiß-schwarzen Vögel zu bekommen, holt Erwin eine Karte aus einer kleinen Tasche hervor. Er erzählt, wie er früher tagelang auf der Lauer lag, um die Vögel zu sehen und dass es heute fast unmöglich ist, weil es nur noch einige wenige Exemplare hier oben gibt. Und man spürt, wie ihm diese Tatsache zu schaffen macht.

Wir ziehen weiter durch das Venn und Erwin erzählt uns, warum die Bäche hier oben fast schwarzes Wasser führen, warum die Schaumbildungen darauf ein Naturphänomen sind, das es nur hier und in Sibirien gibt, und warum der Torfabbau im Hohen Venn eine lange Geschichte hat. So machen wir an einer der runden Abbaustellen Halt. Erwin holt eine Dose hervor, in der sich nicht das Eis befindet, das man aufgrund der Beschriftung vermuten mag. In der führt er ein Stück trockenen Torf mit sich, dessen Aufbau er uns ausführlich auf dem Steg-Plateau erklärt.

Die Gefahr im Schwingmoor

Erwin auf dem SchwingmoorEinige hundert Meter und zahlreiche Informationen weiter bitte Erwin mich, ihm kurz die Hand zu reichen. Er klettert vom sicheren Holzsteg mit den Worten „Wenn man hier eingesunken ist und in Panik gerät, hat man schon verloren“ herunter und stellt sich auf eine Rasenfläche. „Was ich euch jetzt zeige, nennt sich Schwingmoor.“ Er hüpft leicht auf dem vermeintlichen Rasen und die Erdoberfläche beginnt sich wellenartig zu bewegen. „Und was passiert jetzt mit uns, wenn du einbrichst“, will eine Bloggerin wissen. Erwin nimmt es wallonisch locker. „Dann müssen die Jungs mich rausholen.“ Und fast im selben Atemzug demonstriert er mit einem Stock, den er durch die Rasendecke steckt, wie tief das Moor und wie dünn die Rasendecke hier ist. Erwin mag’s spannend.

Wir lernen noch etwas über verschiedene Mossarten, bevor wir über den Holzsteg den Rückweg aus dem Polleur-Venn antreten und in Richtung Mont Rigi wandern. Im Restaurant Mont Rigi ist bereits ein Tisch für uns reserviert und bei deftiger Venn-Kost lassen wir es uns gut gehen, trocknen unsere Kleidung und treten bald den Heimweg an.

Ein toller Tag geht zu Ende und ich habe viel neues Wissen im Gepäck. Vielen Dank, Erwin. Ich komme wieder.

PS: Wer Erwin für eine Tour im Hohen Venn buchen will, kann sich an das Naturparkzentrum Botrange wenden.

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Hinweis
Die Wanderung mit Erwin durch das Hohe Venn wurde von Belgien Tourismus organisiert.

2 KOMMENTARE

  1. Ich war vor vielen Jahren mal im Venn und mit einem Scout sogar nachts durchgewandert bis zum Zeltplatz Dreisteegen bei Monschau. Muß unbedingt noch mal hin.

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